Realität ist ein Bug — ich bin der Patch.

Der Regen fiel wie flüssiges Glas, als die Cyberkatze über den Rand des Frachtgleises schlich. Unter ihr summte die Stadt – Reklamen flackerten, Drohnen zogen Lichtspuren in die Nacht. Jeder Tropfen roch nach Ozongeruch und altem Metall. Willkommen in Night City.

Ihre Pupillen verengten sich zu feinen Schlitzen. Sensoren in den Irisringen erwachten: Wärmebilder, EM-Echo, winzige Bewegungen hinter vernebelten Fenstern. Ein Signal blinkte am Rand des Sichtfeldes – ein Rufzeichen, schwach und vertraut. Frauchen…?

Die Katze sprang auf eine Neonreklame, Krallen in den Plexiglasrand, und ließ die Daten in ihren Implantaten laufen. Drei Wege. Einer sicher, zwei voll Risiko. Sie wählte den mittleren – natürlich. Der mittlere Weg war selten der kürzeste, aber oft der richtige.

Unten öffnete sich eine Seitengasse: Pfützen wie kleine Galaxien, jede ein Spiegel aus Licht. Ein Müllroboter summte im Standby, sein Sensor kurz hell, als sie vorbeizog. Dann die Vibration – die Frequenz, die nur sie kannte. Ein kurzes Ping im linken Ohr. Das Zeichen war näher.

Sie kletterte eine Feuerleiter empor, sprang auf das Dach eines Automatenkiosks und hielt inne. Zwischen den Antennen stand ein Glas, das der Regen noch nicht ganz erobert hatte. Ein einzelner Schluck Neonblau – Frauchens Cocktail. Warm. Frisch. Eine Spur, kaum älter als fünf Minuten.

Und dann sah sie sie – ihre Gefährtin. Am Ende der Gasse, im Flimmern der Reklamen, stand sie mit einem warmen Lächeln. Auf ihr leises Miauen hin streckte sie die Arme aus, hob die Cyberkatze sanft hoch und drückte sie an die Brust. „Alles gut, Kleine“, flüsterte sie – und gemeinsam machten sie sich auf den Weg nach Hause, hinaus aus dem Lärm, hinein in die Wärme.

Die Cyberkatze blinzelte, und drinnen in der Brust klickte die kleine Entscheidung: Vorwärts. In der Ferne brannte ein Holo in die Wolken: #NightVamp100. Ein gutes Omen. Der Code lebte. Die Nacht hatte gerade erst begonnen.

#NightVamp100

Die Nacht brachte keinen Frieden. Irgendwo zwischen Regenrauschen und Sirenen stolperte die Cyberkatze in einen Alptraum: Korridore, die sich endlos dehnten, Reklamen, die zu Zähnen wurden, und ein träger Schatten, der immer dann näher war, wenn sie blinzelte. Das Herz hämmerte, die Welt flackerte — und dann spürte sie das Brennen hinter den Augen.

Ein Reflex, ein Zischen, ein dünner Klang wie von einer aufgerissenen Datenleitung — und zwei feine Lichtfäden schnitten durch die Dunkelheit. Die Laseraugen blitzten auf. Der Strahl traf die Armee aus Stofftieren auf der Kopflehne des Bettes und pustete sie wie Herbstlaub davon. Ein weiteres Zucken, dann Stille. Nur ihr leises, verblüfftes Schnurren blieb.

Das HUD in ihren Irisringen erwachte: „Emitter: Online — Leistung 3%. Sicherheit: OK.“ Sie blinzelte zweimal, und die Fäden ebbten ab, als hätten sie nie existiert. Eine neue Spezialfähigkeit, aus einem Traum geboren.

Am Morgen stand bereits das Frühstück bereit. Ihre Gefährtin stellte die Schale ab, strich ihr über die Stirn. Synth-Thunfisch, warm; ein Hauch von Minze in der Milch. Die Cyberkatze aß schweigend, die Welt wieder in Ordnung, zumindest für einen Moment.

Danach rollte sie sich auf dem Kratzbaum zusammen, die Krallen im Sisal verankert, und dachte an die nächste Mission. Irgendwo da draußen blinkte ein schwaches Signal im Netz — ein Beacon aus dem alten U-Bahn-Schacht, unterlegt mit einem Katzen-Emoji, wie ein Insider-Witz aus einer anderen Zeit. Auftrag? Rettung? Oder nur eine Falle mit Humor.

Sie streckte sich, sprang hinab und ließ die Gelenke klicken. Ein Testschuss gegen die leere Konservendose auf der Fensterbank — Kerbe sauber, Laser präzise. „Keine Spielzeuge“, murmelte sie in Gedanken. „Nur Ziele, die es verdienen.“ Draußen war der Regen wieder da, als hätte er nie aufgehört.

Die Cyberkatze sah zu ihrer Gefährtin, die am Tisch Karten und Notizen ordnete. Ein Nicken reichte. Zeit, die Stadt zu wecken. Das Holo in den Wolken flammte auf: #NightVamp100. Mission eingeloggt.

#NightVamp100

Die Stadt floss unter ihr vorbei wie ein Strom aus Licht: Ampelgrün, Holo-Magenta, Reklamen in Sprachen, die nur Maschinen verstehen. Die Cyberkatze lehnte im Sitz des Cyber-Mercedes, Pfoten locker am Lenkrad, als das Warnsymbol aufleuchtete: Lebenszeichen voraus.

Sie ging hart auf die Bremse. Reifen quietschten, Neon zog Schlieren — und da war es: ein Cybereichhörnchen, erstarrt im Trichter der Scheinwerfer. In derselben Sekunde schnitt ein Schatten herunter: eine riesige Cyberfliege, Chromflügel wie Klingen.

„Nicht heute.“ Die Augen wurden heiß. Zwei feine Strahlen fädelten sich ins Dunkel, präzise wie Nähte — die Laser trafen die Fliege, Funken sprühten, das Metallwesen kippte in einer Spirale davon.

Das Eichhörnchen rannte nicht weg. Es piepste, drehte sich — und erst jetzt fiel ihr das kleine Bündel im Fell auf: ein Baby-Cybereichhörnchen, das sich anklammerte, die Augen groß. Beide lebten.

Das große sprang an die Stoßstange, stupste ihre Pfote und gab ihr, so gut es konnte, einen kleinen Kuss auf den Handschuh. Danke. Dann huschten beide in die Dunkelheit, nur ein letztes Schwanzflimmern im Neon.

Sie atmete aus, stieg wieder ein und stellte auf Auto-Drive. Erschöpfung kroch die Wirbelsäule hoch, aber die Stadt verlangte nach Wachsamkeit. Der Bord-Replikator summte, kondensierte klares Wasser in einen Becher. Sie trank, schmeckte Kupfer und Regen.

Vor einem Supermarkt hielt der Wagen. Musik kam aus einem alten Radio hinter der Kasse — zu warm für diese Uhrzeit. Sie ließ das Fenster surren und sah hinüber zum Platz: Ein Brunnen, weißes Rauschen, und dort — eine andere Katze, die trank, als gehöre ihr die ganze Nacht.

Als die Augen sich trafen, war die Stadt kurz leise. Ein vorsichtiger Schritt, noch einer, Nasenspitzen fast berührend. Der Mond zog eine dünne Linie auf den Asphalt. Sie blieben, bis die Reklamen müde wurden, und verbrachten die Nacht zusammen, als hätte sie ihnen schon immer gehört.

Am Morgen stand das Holo wieder in den Wolken: #NightVamp100. Der Cyber-Mercedes erwachte, der Autopilot wartete. Und irgendwo blinkte bereits die nächste Koordinate.

#NightVamp100

Die Nacht atmete langsam über Night City. Auf dem Balkon saß ihre Gefährtin, die Beine im Geländer verhakt, und blickte in die Neonhäute der Wolken. „Welche Mission kommt als Nächstes?“, dachte sie. „Und kommt sie heil zurück?“ Der Wind roch nach Regen und warmem Metall.

Zur selben Zeit fuhr am anderen Ende der Stadt der Liebeskater der letzten Nacht die Holo-Tastatur eines alten Terminals hoch. Er suchte — nicht mit Augen, sondern mit Pfoten im Netz. Zwischen Datenadern und vergessenen Foren schimmerte etwas auf: eine Verbindung, dünn und unzerreißbar. Ihre Seelen, gespleißt in den Datenstrom von Night City.

Am Strand der Stadt wälzte sich das Meer wie flüssiges Glas. Aus der Tiefe hob sich etwas, erst ein Schatten, dann eine Kontur: Ein riesiger Cyberwurm, Schuppen aus Chrom, Augen wie kalte Sensoren. Er brach durch die Oberfläche, beschrieb einen Bogen, schlug zurück ins Wasser.

Die Wucht traf die Bucht wie ein Schlag. Eine Flutwelle stand auf, türmte sich in Neon und Salz. Drohnen heulten auf, Sirenen antworteten. Der Sand wurde zu einem silbernen Spiegel, der in Richtung Promenade lief.

Auf dem Balkon sprang die Gefährtin auf, ihr Puls im Takt der Sirenen. Der Liebeskater stoppte die Suche; im Terminalfenster blinkte ein neues Signal: „Küstenwarnung — unbekanntes Objekt“. Und mittendrin, kaum größer als ein Fingerabdruck, das vertraute Symbol: die Signatur der Cyberkatze.

Die Cyberkatze stand bereits am Rand der Flut, Pfoten fest, Augen hell. Der Wurm drehte sich, als hätte er sie gesehen. Die Stadt hielt den Atem an. Und irgendwo über den Wolken brannte wieder das Holo: #NightVamp100. Eine neue Bedrohung war geboren.

#NightVamp100